Urlaub in der Krise – Friedrichshafen – Sylvester 2009, Kapitel 28-Teil II

Inzwischen war es üblich, dass Brigitte und ich die Festtage bei Maya in Friedrichshafen verbrachten. Maya hatte eine schöne Wohnung mit Blick auf den Bodensee. Max und wir hatten uns wie immer in einem kleinen Hotel in der Nähe einquartiert. Auf Grund der amerikanischen Wirtschaftskrise hatten wir beschlossen, Silvester nicht auszugehen, sondern bei Maya zu Hause zu bleiben, wie immer über Politik und Wirtschaft zu diskutieren und Doppelkopf zu spielen.
Mayas Wohnung hatte eine unübertroffene Aussicht auf das Feuerwerk.

Wir waren zum Mittagessen verabredet. Brigitte brauchte mal wieder im Bad etwas länger. Sie blühte sichtlich auf. Es tat ihr gut, nicht auf unserem Schiff zu sein.
Ich ging schon mal runter zum Auto, um die Scheiben frei zu kratzen. Es war kalt geworden. Ärgerlich stellte ich fest: jemand hatte zwei blaue Müllsäcke einfach auf die Kühlerhaube meines Autos gestellt.
Ich hatte Glück, denn es bog gerade ein Müllwagen um die Ecke. So brachte ich die Säcke zu dem Mitarbeiter, der hinten am Müllwagen die große Müllpresse füllte.
„Die hat mir jemand einfach auf mein Auto gestellt.“
„Ja, ja“, sagte der. Man merkte ihm an, dass er mir kein Wort glaubte. Er nahm die Müllsäcke und schmiss sie in den Wagen.

Warum war das nur so verdammt schwer geworden mit der Wahrheit in Deutschland? Warum glaubte jemand selbst bei einer solchen Kleinigkeit, es sei für mich einfacher zu lügen, als die Wahrheit zu sagen? War das so?
Warum hatte ich nichts erwidert? Warum hatte ich nicht solange argumentiert, bis er mir glaubte?
Während der Fahrt zu Maya sagte ich kein Wort. Brigitte sah mich besorgt an. Sagte aber nichts.

Nach dem Mittagessen spielten wir Karten. Dann schaltete Max N24 an. Brigitte und Maya waren wenig begeistert.
Es gab eine Sonderdebatte des deutschen Bundestags. Gerade forderte ein Abgeordneter wieder schärfere Gesetze. Ein anderer widersprach: „Die gesetzlichen Grundlagen müssen nur endlich umfassend angewendet werden. Wir brauchen keine neuen Gesetze.“
Max regte sich fürchterlich auf: „Die machen doch jegliches Vertrauen in die Politik kaputt. Noch schlimmer, moralische Manager gehen nicht mehr auf verantwortungsvolle Posten. Wenn es keine Regeln gibt, wenn die Justiz je nach gefühlter Lage härter oder laxer durchgreift, dann machen den Job nur noch die Korrupten. Die kommen mit ihrer Devise ‚Alles ist erlaubt, solange man nicht erwischt wird’ dann bestens durch.“
Maya antwortete „Du hast ja recht. Aber es ist wirklich schwer, noch richtig zu reagieren. Obwohl die deutsche Wirtschaft weitgehend von der USA abgekoppelt ist, arbeiten die Banken nun mal global. Ich weiß, dass die deutsche Regierung verzweifelt nach einer Lösung sucht. Die sprechen sogar mit dem FINDERS-Konsortium.
Es geht nicht um die Banken, sondern um das Geld und vor allem das Vertrauen der Sparer.“
Wie immer wusste Maya mehr als wir anderen. Wir hatten uns daran gewöhnt, dass sie uns nicht alles sagen konnte.

Tatsächlich stellte die Bundesregierung kurz nach der Gründung von Gooday ein eigenes gemeinsam mit dem FINDERS-Konsortium erarbeitetes Konzept vor.
Deutschland hatte sich in den letzten Jahren durch das den Mittelstand fördernde Konzept unabhängig von den USA entwickelt. Trotzdem begannen auch in Deutschland die Bürger das Vertrauen in die Banken zu verlieren. Das Geld der Sparer sollte garantiert sicher sein. Die Banken, die sich am US-Markt verspekuliert hatten, wollte man nicht schützen. Eine Marktbereinigung war nötig.
Die Einlagensicherung von 20.000 Euro blieb bestehen. Die deutsche Bundesregierung verpflichtete sich darüber hinaus, allen Personen, jedoch keinen Banken unbegrenzt den Ausfall von Sparbüchern und Festgeldkonten zu ersetzen. Präventiv wurde mit einigen deutschen Banken unter Beteiligung des FINDERS-Konsortiums eine Auffanggesellschaft für insolvente Banken gegründet.
Diese Voraussicht kam gerade rechtzeitig, um das Kapital deutscher Sparer bei 6 Banken mit amerikanischen Muttergesellschaften zu retten, die fast gleichzeitig in die Insolvenz gingen.
Die Einlagensicherung über 20.000 Euro hinaus wurde an die Bedingung geknüpft, dass das Geld zwei Jahre im Rahmen der Auffanggesellschaft angelegt wurde. Die Sicherung galt, um Spekulanten abzuschrecken, nur für Geldeinlagen, welche bereits länger als drei Monate angelegt waren. Diese Gelder wurden Unternehmen zur Verfügung gestellt, welche bereit waren, sich online hinter einer FINDERS-Kategorie einzuordnen und ihr Geschäftsmodell sowie die Bilanzzahlen einfach im Internet zugänglich zu machen. Die einzelnen Finanzinstrumente (z.B. Risikokapital, Immobilienfinanzierung, etc.) wurden separaten Kategorienagenturen zugeschlagen. Hinter den einzelnen Kategorien konnten sich Banken, die in diesem Bereich tätig waren, positionieren. Bei jeder Kreditvergabe wurde ein ständig von den einzelnen Kategorienagenturen weiterentwickeltes Rating berücksichtigt. Da z.B. die Kategorienagentur für Immobilienverkäufe auch für die Internetmarktplätze verantwortlich war, konnte ein halbautomatisches Verfahren entwickelt werden, um die Werthaltigkeit einer Immobilie zu schätzen. Produktanfragen, welche von Herstellern oder Händlern nicht bearbeitet wurden, konnten durch die finder-Technologie erkannt werden. Die entsprechende Kategorienagentur erhielt dann eine Fehlermeldung. Dies und die Rückmeldungen aus den Communitys bildeten für die Kategorienagenturen ein Frühwarnsystem. Die Kategorienagenturen wurden dann aktiv und halfen frühzeitig bei der Problemlösung.

Alle Teile eines Mischfonds mussten für Geldgeber dadurch transparent gemacht werden, dass Einzelbeteiligungen über eine Linkliste erreichbar waren. So konnte kein Geldgeber mehr sagen, man habe ihn unzureichend informiert.
Mischfonds waren nur noch zulässig, wenn 10 % des Fonds in innovative Firmen investiert wurden. Auch deren Geschäftskonzept musste über einen Link für Geldgeber erreichbar sein.

Wer keinen Internetanschluss hatte, konnte sich jederzeit die Liste über sein Achtcard-Fax ausdrucken lassen. Die flächendeckende Verbreitung der Achtcard ermöglichte, dass jeder nahezu alle Geldtransaktionen von zu Hause aus durchführen konnte.

Als weitere Neuerung wurde innerhalb dieses Finanzierungskonzepts eine standardisierte Due Diligence eingeführt, in der die betreffende Kategorienagentur ohne großen Aufwand eine Stellungnahme abgeben konnte. Durch diese vereinfachten Beteiligungsgutachten war es erstmals möglich, dass Fonds auch Kleinstbeteiligungen ab 100.000 Euro an Unternehmen eingehen konnten.

Viele Patente, welche früher im Ausland vermarktet worden wären, wie z.B. seinerzeit das deutsche MPEG- Verfahren in Japan, wurden nun direkt in Deutschland verwertet, da ausreichend Kapital zur Verfügung stand.

Die Finanzkrise ging weitgehend an Deutschland vorbei. Immer mehr Länder –fast alle europäischen – schlossen sich dem Trusted Internet an.
Achtcard-Geräte wurden ein deutscher Exportschlager.

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