Digitale Bürgerbeteiligung zum Erhalt einer funktionierenden Demokratie

Die Schere zwischen den Gewinnern und Verlierern in der digitalen Transformation wird immer größer werden. Hauptursache hierfür sind Rationalisierungseffekte im Rahmen der Digitalisierung.
Andererseits aber sind die Möglichkeiten der digitalen Technik gleichermaßen optimal geeignet, um an jede Fähigkeit leistungsangepasste Arbeiten anzubieten.

Was liegt näher, wenn Daten und Wissen das Gold der Zukunft sind, als jeden in die Beschaffung dieses Goldes mit einzubinden und damit der eigenen Gesellschaft einen signifikanten Vorteil zu verschaffen.
Wie schlecht Daten derzeit aufbereitet sind, zeigt die ganze Fake News Diskussion. Hieran wird sich auch nichts ändern, wenn bessere Erkennungsalgorithmen entwickelt werden. Im Gegenteil, es besteht die enorme Gefahr, dass wichtige Daten durch die automatische Zensur verloren gehen.

Wenn es gelingt, möglichst viele der fast 6 Millionen Harz IV Bezieher einzubinden und aus der Wohlfahrtsempfängerrolle herauszuholen, dann ist das Schürfen des Datengoldes bereits weitgehend finanziert. Zudem besteht hierdurch eine einfache Möglichkeit, die Integration von ausgeschlossenen Gesellschaftsgruppen zu verbessern.

Gesellschaftlich Ausgeschlossenen muss man in einem geschützten Raum eine für die Demokratie und Wirtschaft gleichermaßen wichtige Arbeit zutrauen. Wichtigstes Merkmal eines geschützten Raums ist die fehlende Überwachung jeder einzelnen Aktivität.

Ein wesentlicher Parameter, über welchen sich der erste Arbeitsmarkt bis heute definiert und der auch immer mehr Taktgeber der Wissenschaft ist, ist die Zeit, in der eine vordefinierte Arbeit mit einem vordefinierten Ergebnis erreicht werden kann. Hierdurch wird eine Wertschöpfung generiert, die der Arbeitskraft abhängig von weiteren Faktoren, wie zum Beispiel den vorhandenen Wettbewerbern, ein bestimmtes Einkommen ermöglicht. Dabei spielen Alter, Geschlecht, Herkunft und körperliche Fitness neben den erwarteten standardisierten Qualifizierungsnachweisen eine entscheidende Rolle. Damit diese Vorrausetzungen keine Rolle spielen, muss das Datenschürfen anonym und ohne Zeitdruck durchgeführt werden können.

Über das im GISAD Grundsatzprogramm dargestellte Konzept werden bestehende Websites, Social Media Systeme und Suchmaschinen durch ein Linkbewertungsportal ergänzt. Alle gesellschaftlichen Gruppen werden in die Erstellung der Grundlagen für gesellschaftliche Entscheidungsprozesse eingebunden. Denn genau das sind aufgearbeitete Daten.
Sogenannte Bewertungs-Experten erhalten ein bedingungsgebundenes Grundeinkommen. Der Erhalt dieser Leistung ist frei von Sanktionen durch die öffentliche Hand. Das Grundeinkommen ist auch nicht abhängig von den Parametern des ersten Arbeitsmarktes, in einer bestimmten Zeit eine bestimmte Leistung zu erbringen.

Vielfalt wird in dem Konzept dadurch gewährleistet, dass alle Informationen in ca. 1000 Wissensbereiche aufgeteilt werden. In einer qualifizierten Nachbarschaft von Gleichgesinnten werden Fake News und schlecht aufgearbeitete Informationen besser erkannt, als wenn Informationen über gefakte Metadaten in Suchmaschinen oder Social Bots als falsche Freunde in Social Media Portalen verbreitet werden. Insofern begrüße ich auch den neuen Ansatz der Grünen, siehe http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-02/wahlkampf-gruene-kritik-martin-schulz-acht-punkte-plan ,von sanktionsfreier Grundsicherung zu sprechen.

Warum ist es denn wichtig, auch die Teile der Gesellschaft in den demokratischen Prozess mitzunehmen, die sich hier bisher nicht engagiert haben? Sind diese denn auf Grund ihrer sprachlichen Fähigkeiten, Ausbildung und ihrem gesellschaftlichen Status überhaupt in der Lage, einen Beitrag zu leisten?
Zweimal ein klares ja.

Lassen Sie mich einmal konkret werden. In einem anderen Leben habe ich erwachsene Analphabeten unterrichtet. Meine Schüler waren teilweise hochintelligente Menschen, die, weil sie mit ihrem Lehrer nicht klargekommen sind oder krank waren, als die Grundlagen des Lesens und Schreibens unterrichtet wurden, den Anschluss verpasst haben. Danach haben sie eine ungeheure Energie und Kreativität aufgebracht, um zu vertuschen, dass sie nicht lesen und schreiben können. Da war der Vater von zwei Gymnasiasten, der sich zum Lernen ins Bad einschloss, damit seine Kinder nichts merkten. Er hatte ungeheuren Druck, denn er war in seinem Job so gut, dass er in eine leitende Position befördert werden sollte. Diese Arbeit war aber undenkbar ohne zumindest eine gute Lesefähigkeit. Durch die Zusammenarbeit mit Leidensgenossen hat er im Kurs innerhalb kürzester Zeit lesen und schreiben gelernt. Teilnehmer der Alphabetisierungskurse haben ein Lesebuch für Erwachsene mit eigenen Texten erstellt. Es zeigte sich, dass die Motivation, Texte von Gleichgesinnten zu lesen, bei den Erstlesern wesentlich höher ist, als bei schwer verständlichen Zeitungstexten.

Heute soll alles möglichst einfach und für alle Zielgruppen gleich verständlich sein. Tatsächlich sind solche Vereinfachungen jedoch eine Ursache für die von mir „Denkabschaltung“ genannte Krankheit, siehe http://blog.get-primus.net/fake-news-sind-nur-ein-symptom-der-krankheit-denkabschaltung/ .

Für echte nachhaltige Lösungen, muss die demokratische Gesellschaft die Betroffenen da abholen, wo sie stehen, mit ihrer Sprache und mit ihren Problemen. Wenn es einen kausalen Zusammenhang zwischen Selbstwertgefühl und Integration in die Gesellschaft gibt, dann ist eine Bürgerbeteiligung in einem Linkbewertungsportal, wie im GISAD Grundsatzprogramm vorgeschlagen, die beste und schnellste Methode für die Integration der Zurückgelassenen.
Wäre denn ein Analphabet geeignet, Inhalte zu bewerten und „Fake News“ zu identifizieren?
Wieder ein klares ja.
Er würde seine über Jahre gelernte Verhaltensweise dazu benutzen, seine eigene Leseunfähigkeit zu kompensieren. Alternativ würde er viele Andere die Information lesen lassen und in die Antwortfindung mit einbinden. Ihm wäre es ausgesprochen wichtig, keinen Fehler zu machen. Natürlich sind solche Ergebnisse nicht unter Zeitdruck zu erhalten.

Kanzlerkandidat Martin Schulz hat unter anderem so gute Umfragewerte, weil er als Mann des Volkes gesehen wird. Realistisch betrachtet war er das vielleicht einmal. Aber jemand, der 5 Sprachen spricht und die wichtigsten Regierungsführer der Welt kennt, kann nicht wirklich die Sprache des kleinen Mannes sprechen, zumal es hier eine Vielzahl von Subsprachen als Repräsentanz gesellschaftlicher Teilgruppen gibt. Die Digitalisierung bietet eine einmalige Chance, alle diese Subgruppen in die Zuarbeit von Informationen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit einzubinden.

Berufspolitiker sollten ehrlich für ihren schwierigen Beruf werben können. Sie sind durch Laien nicht zu ersetzten, weil sie Mittler zwischen vielen Interessensgruppen, der öffentlichen Verwaltung und ihren Wählern sein müssen.
Martin Schulz muss derzeit Aussagen für eine möglichst breite Wählerschaft machen, um als Bundeskanzler mit einer starken SPD gewählt zu werden. Derzeit geht es nicht darum, das beste demokratische Programm anzubieten, sondern gerade die Nichtwähler oder Wechselwähler zu überzeugen, dass sie im Sinne der gefühlten Mehrheitsbewegung handeln, wenn sie die SPD wählen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass erste Stimmen Martin Schulz als Populisten bezeichnen, siehe http://www.zeit.de/kultur/2017-02/populismus-martin-schulz-begriff-verwendung-populismusforschung-kiyaks-deutschstunde .
Tatsächlich wird man auf den ersten Blick zwischen Schulz und Trump graduelle, aber nicht prinzipielle Unterschiede feststellen können. Politiker sind durch die Krankheit „Denkabschaltung“ gezwungen, so zu handeln, wenn sie möglichst viele Wähler überzeugen wollen.
Es wird zum Standard, populistisch über Symptome zu lamentieren, ohne sich mit den eigentlichen Krankheitsbildern zu beschäftigen.

Die Unterschiede zwischen Trump und Schulz machen sich also nicht an dem Vorgehen, sondern vor allem an den unterschiedlichen Inhalten fest. Ohne die Krankheit Denkabschaltung hätte den Wählern von Trump die Demokratieferne seiner Ziele klar sein müssen. Erstaunlich ist eher, dass Trump gravierend von dem gewohnten Verhalten der Politiker abweicht und nachdem er gewählt ist, stur versucht, seine Wahlaussagen eins zu eins umzusetzen.
Schulz hingegen hat die „EU Charta der digitalen Grundrechte“ mit initiiert. Seine geäußerten Absichten sind eindeutig Demokratie erhaltend. Allerdings verpflichtet ihn das dann auch zu dem Spagat, neben populistischen Aussagen vor der Wahl zu zeigen, wie er den Erhalt der Demokratie in der nun mal nicht abzuwendenden digitalen Transformation sichern will. Wir stehen vor einer radikalen Veränderung unserer Gesellschaft. Entsprechend tiefgreifend müssen auch die Forderungen für Maßnahmen sein, die alle Teile der Gesellschaft in die digitale Transformation mitnehmen.

In einer Gesellschaft der Vielfalt benötigen Politiker eine echte Unterstützung und einen möglichst vielfältigen Input. Um diesen Input liefern zu können, müssen gerade die Gruppen der Gesellschaft eingebunden werden, welche Teil des Problems sind. Das sind üblicherweise nicht die, die sich politisch äußern. Das sind noch nicht einmal die, die regelmäßig wählen gehen. Das hier vorgestellte Bürgerbeteiligungskonzept reduziert Nichtwähler. Wer Verantwortung übernimmt, kann nicht mehr gegen die Entscheidungseliten wettern. Schließlich ist er selbst Teil dieser Entscheidungsfindung.

Echte Fake News benutzen Unwahrheiten mit dem Ziel der Manipulation für die Zwecke des Urhebers.
Vieles wird als Fake News bezeichnet, weil der Leser einen anderen Blickwinkel auf die Sache als der Schreiber hat. Hierzu gehört zum Beispiel die Diskussion, ob es in Deutschland mehr oder weniger prekäre Arbeitsverhältnisse gibt.
Solche subjektiv unterschiedlichen Informationen dürfen nicht unterdrückt werden, sondern müssen in Verbindung mit der Intention des jeweiligen Betrachters gesetzt werden. Um alle Faktoren zu einer Entscheidungsgrundlage zusammenzufassen, sind heutige BIG DATA Analysen hervorragend geeignet, in Zukunft auch mit Hilfe künstlicher Intelligenz. Jedoch das Grundmaterial sollte immer zuerst von Menschen gesichtet werden.
Ethische Gesichtspunkte und kulturelle Vielfalt sollte der Mensch nicht aus seinen Händen geben. Auch die automatischen Analyseergebnisse müssen deshalb stichprobenhaft von Menschen ständig kontrolliert werden.

Demokratie lebt ja gerade von der Diskussion über unterschiedliche Sichtweisen. Breitet sich die Denkabschaltung weiter aus, gibt es keinen demokratischen Konsens mehr. Information wird noch mehr zur gerankten Massenware. Dann wird nur das, was bereits viele kennen wahrgenommen und die Vielfalt und Individualität verschwinden.
Die nicht in die Diskussion Eingebundenen werden dann weiter ausgeschlossen, frustriert und wählen schließlich demokratieferne Parteien mit angeblich einfachen Botschaften wie „Ausländer raus“.
Schlussendlich werden alle das gesamte Denken künstlichen Intelligenzen überlassen, weil wir es selbst nicht mehr können.

Nur Bürgerbeteiligung von allen schützt nachhaltig den Erhalt der Demokratie und einer menschenwürdigen Zukunft!