Wann wurde die Vierte Gewalt zuletzt gesehen?

Liebe Vierte Gewalt,
in letzter Zeit suche ich Dich vergebens. Letzte Spuren von Dir habe ich im Grundgesetz gefunden. Da heißt es „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Leider hat der Gesetzgeber versäumt, auch einen Passus über Selbstzensur einzufügen. Wer hätte auch 1949 bei Erlass des Grundgesetzes ahnen können, dass wir einmal in einer Welt leben würden, in der Emotionen und Manipulationen besser gestellt sind, als echte Informationen.
Gerade jetzt, wo die Demokratie sich in nicht übersehbarer Auflösung befindet, müsstest Du den Journalisten neue Regeln an die Hand geben, der innere Kompass müsste wieder auf Dich und damit auf den Erhalt demokratischer Werte ausgerichtet werden.

Immer war es für die Medien schwer, ihre Finanzierung durch Anzeigen von einer redaktionellen Beeinflussung zu trennen. Doch zumindest waren die Interessenskonflikte übersichtlich. Heute geht es nicht mehr darum, sich gegen die Beeinflussung einzelner großer Unternehmen zu behaupten. Vielmehr geht es um die Existenz, bei der unendlichen Vielzahl der Social Media Reize überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Ein nackter Hintern generiert oft mehr Klicks als ein sorgsam recherchierter Sachartikel. Der Kampf um die Leser ist mörderisch. Wie ein Radierer wischt Dich, vierte Gewalt, die Einführung des Social Credit Systems jetzt endgültig weg. Meine Meinung dazu kennst Du ja, siehe http://blog.get-primus.net/compliance-als-demokratie-zerstoerer/ .Deine Medien beschränken sich auf ein Grundrauschen, also das, was alle schreiben. Sie erhalten Ihre Informationen vorgeschrieben von den Presseagenturen. Ansonsten konzentrieren sie sich auf Redundanzen: Nachrichten über bekannte Unternehmen, internationale Nachrichten und die Verfestigung von Stereotypen. So haben wir gelernt, dass bei einem Cyberangriff immer wir schuld sind, weil wir irgendein Update nicht installiert haben. Oder Irgendeiner hat wieder eine Tür offen gelassen und sich dabei einen Virus eingefangen. Wenn dann ein Rezo das mit der Zerstörung der Demokratie einfacher erklären kann als Deine Medien, dann schreiben alle wieder mehr über Rezo, als über die Inhalte. Du Vierte Gewalt erschlafftest, wurdest transparent bis unsichtbar, weil der Sachverstand Deiner Journalisten nicht mehr gefragt ist.

Um die zu identifizieren, die für Dein Verschwinden verantwortlich sind, müsste erst einmal alles gesichtet werden, was Dir bekannt war, über das aber nie geschrieben wurde. Medienarchive quillen über vor Informationen, auch über mich. Kein einziges Mal, wohl einem geheimen Codex folgend, hast Du geschrieben, über erste für mich bereits von 20 Jahren sichtbare Auflösungstendenzen. Ich möchte nicht wissen, von wie vielen Versuchen Du weißt, ein anderes sicheres Internetkonzept aufzubauen oder auch die Demokratie auf die digitale Gesellschaft vorzubereiten. Doch Du schwiegst. Warum konntest Du Dich gegen ein Netz aus zentraler Datenverwertung nicht behaupten? Warum hast Du die zunehmende Fremdbestimmung deiner Teile zugelassen? Warum diskutierst Du unsinnig über Überwachung und Probleme digitaler Strafverfolgung? Wäre es da nicht sinnvoller, sich mit durchaus vorhandenen technischen Möglichkeiten zu beschäftigen, die Anonymität im Allgemeinen und forensisch eindeutige digitale Strafverfolgung im Einzelfall gleichzeitig möglich machen?

Wir haben in Deutschland eine Meinungsfreiheit, die sogar größer ist, als früher. Jeder kann alles im strafrechtlich erlaubten Rahmen veröffentlichen. Aber ob es auch verbreitet wird und in welchem Kontext, das entscheiden inzwischen andere, weil Du Dich nicht um die kreativen Querdenker und Grenzgänger gekümmert hast. Die Entscheider sitzen meist nicht mehr in Deutschland, sondern irgendwo auf der Welt. So stand über mich fünfzehn Jahre lang ein irreführender Artikel bei Google auf der ersten Seite, bis das endlich Google verboten wurde. Dass hierfür ein Algorithmus verantwortlich war, ist schwer zu glauben. Bis vor zehn Jahren habe ich selbst viele negative Erfahrungen ins Netz gestellt, die auf meinen Kampf für die Demokratie zurückzuführen sind. Vierte Gewalt, sieh in Deinen Archiven nach, ja, da ist es. Berichtet hast Du darüber nicht. Dann habe ich selbst alles herausgenommen, weil ich die Verantwortung gespürt habe. Es wurde missbraucht, um gerade das, was ich schützen wollte zu zersetzen, Rechtsstaat und Demokratie eben. Es hilft wenig, wenn Informationen nur ängstigen, aber nicht Mut machen, etwas zu verändern.

Nun habe ich fast 20 Patente angemeldet, um Mut zu machen, um zu zeigen, dass es doch geht. Ich habe mehrere Fachbücher geschrieben. Diese wurden immerhin über 10.000 Mal gelesen und werden in der Lehre auch unwidersprochen eingesetzt. Doch ohne Dich, vierte Gewalt wird die längst überfällige breite öffentliche Diskussion ausbleiben, worauf es ankommt, wenn wir in der digitalen Gesellschaft die Aufrechterhaltung von Bürgerrechten ermöglichen wollen.
Aus Verzweiflung habe ich den Simulations-Roman „Social Utopia“ geschrieben. Von 1999 bis 2035 auf 850 Seiten in unterhaltsamen Geschichten festgehalten, was alles schief gehen kann und was man besser machen könnte. Nicht zu nah bei uns, aber doch so nah, dass wir alle aus dem fiktiven Roman profitieren könnten. Mal wieder offen diskutieren, das wäre es doch.
Und nun bist Du nicht mehr da, Vierte Gewalt, selbst Opfer eines Strukturwandels, den Du hättest begleiten und gestalten sollen. Die, die Dich ersetzen, haben kein Interesse daran, ihre eigene Existenzberechtigung in Frage zu stellen.

Schade, ich hab mich wohlgefühlt mit Dir. Du warst immer da. Du hast mir Sicherheit gegeben, auch dann, wenn ich Dich nicht gebraucht habe.
Ich wünsche mir so sehr, dass es Dich doch noch irgendwo in einer Zeitungsecke gibt. Um Reste von Dir zu finden, habe ich zwar keinen nackten Hintern gezeigt, aber immerhin visuell auf eine neue Form der digitalen Bücherverbrennung hingewiesen. Sogar ein kleines Video habe ich gemacht, obwohl ich nie vor die Kamera wollte, sieh mal nach unter:

Compliance als Demokratie-Zerstörer?


Was ist nur in mich gefahren, auf die Compliance einzudreschen. Ist doch gerade die Compliance der Teil, der sich mit aller Kraft dafür einsetzt, ethische Regeln im Unternehmen durchzusetzen.

Doch hier entsteht gerade global für die Demokratien eine neue Herausforderung. Ethische Regeln werden bei globalen Unternehmen zu einem kleinsten gemeinsamen Nenner entwickelt. Die Ergebnisse der Compliance dürfen nicht im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens liegen. Jeder Compliance-Manager weiß, wie schwer es ist, sich mit einer guten Lösung gegen den Vorstand zu behaupten. Der muss seinen Shareholdern ständig wachsende Umsätze und Gewinne präsentieren.
Berücksichtigt man, dass wir in Deutschland viele Hidden Champions haben, also große Unternehmen, die unbekannt sind, weil sie nicht den Endkunden beliefern, sondern Zulieferer einzelner Bauteile sind, dann wird besonders in Deutschland die Abhängigkeit von der globalen Entwicklung und somit von globalen Regeln deutlich.
Die Compliance gerät deshalb in die Gefahr, zum Demokratiezerstörer zu werden, weil seit 2020 durch Einführung des Social Credit Systems bei internationalen Unternehmen neue Spielregeln entstehen.

Halt, das betrifft doch nur das weit entfernte China. Nein, eben durch die Compliance wird es auch unmittelbar uns in Deutschland betreffen. Das Social Credit System bewertet nicht nur wie die Compliance das Verhalten von Mitarbeitern im Unternehmen. Es bewertet auch das Verhalten in der Freizeit. Die Compliance ist bisher auch dafür da, um Fehlverhalten vertraulich innerhalb des Unternehmens zu regeln. Das Social Credit System ist öffentlich und es berücksichtigt auch die Beziehungen aller Akteure untereinander.

Konkretes Beispiel: Ich schreibe heute diesen Artikel. In 5 Jahren ist er immer noch im Internet veröffentlicht. Mein Enkel erhält dann bei einem deutschen Hidden Champion keine Praktikumsstelle. Dieses Beispiel ist fiktiv, weil ich keinen Enkel habe. Nicht fiktiv ist, dass ich eigentlich heute schon diesen Artikel nicht mehr schreiben dürfte, weil er wahrscheinlich irgendwann in der Zukunft, wenn auch nur als kleiner Teil eines Rankings einem Verwandten von mir schaden wird. Nur weil ich hoffe, dass Politik und Gesellschaft noch im letzten Moment – nämlich genau jetzt -aufwachen, traue ich mich noch, etwas zu schreiben. Wenn sie nicht aufwachen und danach sieht es bisher leider aus, wird unsere Zukunft totalitärer als totalitär werden. Um Schaden vom Unternehmen abzuhalten werden die Compliance-Abteilungen sich Software anschaffen, die eine Einstufung durch das Social Credit System mit ähnlichen Daten und Algorithmen möglichst schon vor China simulieren. Auch sie werden dafür alle ihnen zur Verfügung stehenden Daten benutzen.
Ich muss mir jetzt schon genau überlegen, ob ich noch rechtfertigen kann, öffentlich eine Meinung zu äußern, wenn dadurch meinen ganzen Nachfahren in Sippenhaft genommen werden können.
Aber wir haben doch einen Rechtsstaat? Wir haben doch die Verfassung? Dann spielen wir es doch einmal durch. Mein Beitrag ist weltweit öffentlich und wird von automatischen Algorithmen erfasst und bewertet. China strebt mit der Seidenstraße die Weltherrschaft an. Also werden im chinesischen Social Credit System alle weltweit öffentlich verfügbaren Informationen verwertet. Ebenfalls öffentlich sind über Social Media Portale Verwandtschaftsgrade nachvollziehbar. Darüber hinaus verfügt China auch über viele andere Quellen wie durch den Ankauf gehackter Daten. Alle diese Daten fließen in das Social Credit System und das Rating aller mit mir in Beruf, Politik und Privatleben vernetzten Personen ein. Nun stellen Sie sich einmal meinen Enkel vor, der vor einem Gericht forensisch verwertbare Beweise vorlegen soll, warum er die Praktikumsstelle nicht erhalten hat!? Auch andere Unternehmen greifen auf die gleichen Daten zu und weisen ihn ab. Ohne Praktikum kann er sein Studium nicht abschließen…

Seit vielen Jahren warne ich die Politik vor diesen Gefahren. Passiert ist wenig. Jetzt besteht der dringende politische Handlungsbedarf, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um den Einfluss von Social Scoring Werten in Deutschland zu verhindern. Neue Gesetze werden hierfür nicht ausreichen.
Eine Maßnahme mit Priorität ist das staatliche Garantieren einer technischen Infrastruktur, die in einer zunehmend digitalen Gesellschaft verfassungsrechtlich verbriefte Grundrechte zur Selbstentfaltung, sowie die Privatsphäre sicherstellt. Nur so können demokratische Diskussionen ohne Angst vor Repressalien in einem geschützten Raum stattfinden.
Wenn die Compliance-Manager nicht zu Gehilfen totalitärer Staaten gemacht werden sollen, muss für in Deutschland / Europa tätige Firmen ein neuer Verhaltenskodex geschaffen werden. Auf Geschäfte mit China zu verzichten, wird wahrscheinlich nicht die Lösung sein. Wichtig sind Vereinbarungen, welche ein Ausspielen europäischer Wettbewerber gegeneinander durch China über den Social Credit Wert verhindern.

Ein Chefredakteur würde mir übrigens raten, diesen Artikel nicht jetzt zu veröffentlichen, wo die Öffentlichkeit mit dem Coronavirus beschäftigt ist. Aber kommt dieses Virus nicht für das Social Credit System gerade recht. Kann es hier seine Stärke zeigen? Wie wirkt es sich auf das Rating aus, wenn jemand sich ansteckt, weil er anderen hilft?

Die wilden 20er – Werden wir noch einmal unsere Freiheit verteidigen?

Was erwartet uns in der nächsten Dekade?
Für Vorhersagen bereitet mir als Zukunftsforscher die exponentiell zunehmende Innovationsgeschwindigkeit wenig Kopfzerbrechen. Unkalkulierbar ist hingegen der Risikofaktor Mensch.
Die letzten zehn Jahre waren in Deutschland geprägt durch deutliche Auflösungserscheinungen unserer Gesellschaft. Die demokratischen politischen Parteien ringen zunehmend um ihre Legitimation und glaubhafte Alleinstellungsmerkmale. Populisten binden Protest- und Frustwähler an sich. Existenzgründungen gingen jährlich um zirka zwei Prozent zurück….

Für einen Blick auf die nächste Dekade ist es nötig, die globale Entwicklung im Auge zu behalten. Deutsche (Negativ-) Entwicklungen haben inzwischen globale Ursachen. Digitale Trends entstehen nicht in Deutschland, sondern da, wo die Massen leicht zu steuern sind. Eine Rolle spielen der Leidensdruck einer Bevölkerungsgruppe und die tatsächliche Verbesserung ihrer Lebenssituation. So wurde das Smartphone auch deshalb erfolgreich, weil es den Bauern in Afrika ermöglichte, direkt mit der Welt verbunden zu werden und Handel zu betreiben. Das Social Credit System in China wird zunehmend erfolgreich sein, weil es vielen Chinesen durch das Rating erstmals überhaupt die Möglichkeit bietet, am wirtschaftlichen und somit auch gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Für die Mehrheit der Weltbevölkerung besteht die Chance, dass sich die 20er Jahre auf ihre Lebensqualität positiv auswirken. Allerdings wird diese Verbesserung nicht einem sozialen Engagement zu verdanken sein. Wir alle wissen inzwischen, dass wir ein kostenloses Internet mit unseren Daten bezahlt haben. Viele Weltbürger werden in den 20ern ihre Freiheit durch eine zunehmende Überwachung und manipulative Machtausübung verlieren. Das werden sie hinnehmen. Was hilft schließlich die theoretische Freiheit dem, der seine Kinder nicht satt bekommt.

Wir in Deutschland jammern derzeit auf hohem Niveau. Allerdings ist der zunehmende Fatalismus der Deutschen im wahrsten Sinne fatal. Für uns als Zielgruppe werden die Smartphones, 5G, Internetplattformen und sonstigen digitalen Innovationstreiber nicht mehr gebaut. Unser Markt ist zu klein, die Kunden sind zu schwierig. Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass wir in den neuen 20ern dieses hohe Niveau insbesondere in Bezug auf unsere Freiheitsrechte nicht verteidigen werden. In einer Art Self-fulfilling-prophecy fügen wir uns bereits jetzt in eine Zukunft ein, die wir durchaus noch anders gestalten könnten.
Bisher haben sich Demokratien als nachhaltiger als Diktaturen erwiesen. Durch die digitale Überwachungs- und Datenverwertungsindustrie werden die Karten neu gemischt. Es ist viel einfacher als früher, eine Diktatur aufrechtzuerhalten. So können Technologien zur Steigerung der Lebensqualität für Mehrheiten mit Tools zum totalitären Machterhalt verbunden werden. Wenn wir jetzt nicht für digitale Gesellschaften Demokratie erhaltende Technologien einführen, ist es wahrscheinlich, dass der zunehmende Klimawandel totalitäre Systeme begünstigt. Totalitäre Staaten können innerhalb kürzester Zeit eine Verhaltensänderung für alle verordnen.

Als Zukunftsforscher habe ich mich seit über zwanzig Jahren mit der Frage beschäftigt, wie demokratische Systeme auf digitale demokratische Gesellschaften angepasst werden könnten. Wie vor hundert Jahren wären erneute wilde 20er möglich, in denen wir eine neue Lebenslust mit kreativen Höhenflügen entwickeln und eine liberale Geisteshaltung der Vielfalt in einem digitalen System abbilden könnten. Ein solches Lebensgefühl kann nur von unten nach oben von den Bürgern getragen und verbreitet werden.
Es mag arrogant erscheinen, wenn ich darauf hinweise, dass viele Fehlentwicklungen vermeidbar gewesen wären. Bei Umsetzung und beherzter Durchsetzung meines Patents zur finder-Technologie aus dem Jahre 1999 hätten wir die soziale Kontrolle in der digitalen Gesellschaft aufrechterhalten, so wie wir sie aus der analogen Welt kennen. Informationen wären weitgehend manipulationssicher von unabhängigen, anonymen Gleichgesinnten gelesen und diskutiert worden, bevor sie von einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen worden wären. Stattdessen leben wir in einer Welt, in der Informationen besonders dann ungehindert verbreitet werden, wenn sie mehr unsere Emotionen, als unser Gehirn ansprechen. Die hierdurch eingeleitete Denkabschaltung ist auch für das Ende der Beteiligung Vieler am Entscheidungsprozess und somit die Auflösung von Demokratien verantwortlich.

Als anerkannter Fachbuchautor habe ich in mehreren Büchern beschrieben, mit welchen technischen Hilfsmitteln eine Demokratie erhaltende Gesellschaft gestärkt werden könnte.
Um eben diese Möglichkeiten einer breiten Zielgruppe unterhaltsam zugänglich zu machen, möchte ich jetzt eine fiktive Gesellschaftssimulation von 1999 bis 2035 unter dem Namen „Social Utopia“ veröffentlichen.
Nach meinem derzeitigen Erkenntnisstand wird sich für die Veröffentlichung kein Verlag finden, obwohl es einen vergleichbaren Roman bisher nicht gibt. Zwei Gründe habe ich hierfür identifiziert:

  • Das Thema ist zu nah an den aktuellen Befürchtungen des Lesers und wird eher verdrängt oder auf Grund der bereits vollzogenen Denkabschaltung auch gar nicht mehr verstanden.
  • Kein Verlag traut sich, ein Buch zu veröffentlichen, das für einen Bestsellererfolg auf die Klicks in eben jeden Plattformen angewiesen wäre, deren Geschäftskonzepte der Roman in Frage stellt.

Ist es da noch weit bis zu einer neuen Form der digitalen Bücherverbrennung? Was bedarf es noch, bevor jeder einzelne endlich versteht, dass es gerade auf ihn ankommt?

In diesem Sinne wünsche ich ein nachdenkliches, kreatives und engagiertes neues Jahr.

Olaf Berberich

Die Demokratie-Zerstörer

18,9 Prozent haben die Regierungsparteien bei der Europawahl an Stimmen verloren. Von erdrutschartigen Verlusten war die Rede. Doch so, als sei nichts geschehen, wird eifrig weiter am IT Sicherheitsgesetz 2.0 gebaut. Die Aufgaben des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik(BSI) sollen massiv erweitert werden. Digitalstrategie bedeutet aus Sicht der Groko, die Durchgriffsmöglichkeiten durch Überwachung weiter auszubauen. Im Ergebnis werden damit die Bürgerrechte massiv beschnitten.

  • Es ist zu hinterfragen, ob von ihrer Struktur her im Sinne einer Gewaltenteilung das BSI als Behörde Aufgaben zur Erfüllung der Bürgerrechte übernehmen sollte. Das BSI hat bisher die Sicherheit der Verwaltung und der kritischen Infrastrukturen verantwortet. Bürgerrechte stehen den aus den bisherigen Aufgaben abzuleitenden Überwachungsansprüchen gegenüber. Besser geeignet wäre eine Institution, die sich unabhängig um die Bürgersicht kümmern würde. Der Überwachung der datenrechtskonformen Verwertung von Daten für Unternehmen oder Behörden müsste ein durchsetzungsfähiger Gegenspieler für die Kontrolle der Einhaltung der Bürgerrechte auf Selbstbestimmtheit, Privatheit und Informiertheit gegenübergesetzt werden.
  • Die derzeitigen Meldepflichten von Unternehmen über Cyberattacken dienen möglicherweise zu einer besseren Bewertung der Allgemeinlage durch das BSI. Sie lassen jedoch den Bürger außen vor, weil Vorfälle nicht konsequent gegenüber der Öffentlichkeit transparent gemacht werden. Konkret müssten statistisch nicht nur Cyberattacken erfasst werden. Viel wichtiger wäre eine ehrliche Analyse, wie viele gesellschaftlich strukturrelevante Projekte in Deutschland durch Manipulationen bereits behindert werden. Nur bei völliger Transparenz der Situation ist der Wähler überhaupt in der Lage, sich ein Urteil zu bilden. Die derzeitige Regierung setzt sich dem Verdacht aus, eine selbstverschuldete Situation in Deutschland, in der Demokratie in der digitalen Gesellschaft nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, konsequent verschleiern zu wollen.
  • So stiehlt sie sich auch aus ihrer Verantwortung, durch geeignete Infrastrukturmaßnahmen für die Daseinsvorsorge den rechtsfreien Raum Internet aufzulösen. Es wundert nicht, wenn Reporter ohne Grenzen gegen die geplante Kriminalisierung von Tor-Servern protestieren, siehe https://netzpolitik.org/2019/reporter-ohne-grenzen-protestiert-gegen-geplante-kriminalisierung-von-tor-servern/. Tatsächlich ist bedenklich, wenn Gesetze so geöffnet werden, dass hierdurch das Grundrecht auf Anonymität aufgehoben werden kann. Ich selbst bin kein Vertreter des Tor-Netzwerks. Auch sehe ich in meinem Alltag keine Notwendigkeit, es zu nutzen. Es ist Aufgabe des Staates und damit auch legitim, wenn der Staat im Einzelfall und nach richterlicher Prüfung, und nur dann, die Anonymität eines Verdächtigen aufheben darf. Aus meiner Sicht gehören personenbezogene Daten jedoch überhaupt nicht ins Internet. Der Strafverfolgung ist genüge getan, wenn in diesem Einzelfall bei Einschaltung eines Rechtsanwalts dezentral gespeicherte Verlaufsdaten eines Verdächtigen zur Verfügung gestellt werden. Der Verdächtigte muss nach Abschluss einer Untersuchung von der Überwachung in Kenntnis gesetzt werden. Es ist Aufgabe des Staates, eine Infrastruktur für diejenigen sicherzustellen, die auf ihre Bürgerrechte Wert legen. Wie so etwas technisch realisierbar wäre, habe ich in meinen Büchern beschrieben. Einen Diskussionsbedarf beim BSI zu diesem Thema gibt es nicht. Eine entsprechende Absage liegt mir vor.
  • Zusammenfassend wird die Groko zum Demokratie-Zerstörer, weil sie aktiv der Gewaltenteilung, den Grundrechten und den demokratischen Strukturen in der digitalen Gesellschaft entgegenwirkt, ohne mit diesen Maßnahmen den Schutz für die Bürger erhöhen zu können.

    Fake News sind nur ein Symptom der Krankheit „Denkabschaltung“

    Das Silicon Valley als Speerspitze der Digitalisierung hat in den letzten Jahren erhebliche Auswirkungen auf das selbstständige Denken breiter Bevölkerungsschichten gehabt.
    In Silicon Valley wurde nie viel über gesellschaftliche Folgen von Entwicklungen nachgedacht. Fortschritt ist immer irgendwie gut. Die Bestätigung dafür, dass man alles richtig macht, findet man im Silicon Valley darin, dass man mit seinen Produkten Milliarden von Menschen erreicht.
    Da die Entwickler selbst über gesellschaftliche Folgen nicht nachdenken wollen, haben sie sich eine generelle Entschuldigung zurechtgelegt: Die Entwicklungen sind zu komplex für eine gesellschaftliche Reflektion. Niemand kann die Zukunft vorhersehen.
    Diese Denkweise im Silicon Valley ist der Virus, der immer mehr Menschen mit der Krankheit Denkabschaltung infiziert.

    Wer in der Medizin nur einen Husten behandelt und ihn nicht als Symptom eine Lungenentzündung erkennt, macht einen fatalen, möglicherweise tödlichen Fehler.
    Der Mediziner muss also immer das Gesamtbild sehen, bevor er sein Urteil fällt.

    Fake News sind nur ein Symptom der Krankheit Denkabschaltung.
    Facebook und Fake News sind beide so erfolgreich, weil sie auf den psychologischen Effekt der Schweigespirale aufbauen.
    Insbesondere Menschen mit schwach ausgebildetem Selbstbewusstsein neigen dazu, sich der vermeintlichen Mehrheitsmeinung unreflektiert anzuschließen.
    Fake News gaukeln vor, die Mehrheitsmeinung zu vertreten. Der Like-Button von Facebook ermuntert dazu, sich einer Mehrheit anzuschließen. Einen Klick, das kann jeder, ein Foto von sich posten, auch.

    Die Krankheit „Denkabschaltung“ ist das Ergebnis einer Denkverweigerung, welche sich immer mehr Menschen im vorauseilenden Gehorsam auferlegen. Wenn Dinge komplex sind, fällt es schwer, darüber nachzudenken. Der Silicon Valley Virus ist äußerst erfolgreich.
    Das Ganze wird verstärkt durch eine zentralisierte Überwachungs-IT, die jede Abweichung von der Norm erfasst. Eigenes Denken wird zum Risikofaktor, in Zukunft für in der Vergangenheit aufgezeichnetes Fehlverhalten bestraft zu werden.

    Wer nicht mehr denkt, entfaltet sich nicht selbst, ist nicht kreativ und ist letztendlich nicht frei. Wird Denkabschaltung zum Massenphänomen, so löst sich die Demokratie auf. Denn Demokratie benötigt ständig aktive Verteidigung durch möglichst viele Teile der Gesellschaft.

    So hilft auch eine Fake-News-Beseitigungsmedizin wie ein Fake-News-Generator, siehe http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/falschmeldungen-russland-propaganda-fake-news-generator-niederlande/seite-2 nicht viel weiter, als ein Hustenbonbon bei einer Lungenentzündung. Nur kurzfristig werden für die aktuelle Bundestagswahl einige Bürger für das Thema Fake News sensibilisiert. Ohne eigene Denkanstrengung bleibt die Sensibilisierung ohne Resultat.

    Es ist für die Demokratie von existenzieller Bedeutung, dass Politiker die richtige Medizin verordnen und Ursache und Wirkung der Krankheit „Denkabschaltung“ ihren Wählern erklären können.

    Denkverweigerung als Ergebnis vorauseilenden Gehorsams ist auch insofern fatal, als dass es in Zukunft ja wohl unbestritten immer weniger Tätigkeiten gibt, in denen man nicht denken muss. Monotone Prozesse werden zunehmend automatisiert.

    Nichtwähler und Frustwähler von Populisten zeigen die Auflösungserscheinungen der Demokratie. Wer nicht denkt, nimmt nicht aktiv an der Demokratie teil. Daran ändern auch 100 Facebook Freunde nichts. Diese gaukeln vor, dass man, ohne sich selbst konstruktiv an der demokratischen Diskussion beteiligen zu müssen, dazugehört.

    Wir brauchen also ein Konzept, welches möglichst allen Teilen der Gesellschaft eine Medizin verabreicht, die der Denkabschaltung entgegenwirkt. Die Demokratie wird selbst zum Patienten, wenn sie sich nicht mehr aus mehrheitlich kritisch reflektierenden Menschen zusammensetzt.

    Schon vor 10 Jahren habe ich in meinem Buch „7/11: Insiderstory des Wandels in Deutschland von 1999 bis 2015“ beschrieben, wie man breite Teile der Bevölkerung in die digitale Transformation mitnehmen kann:

    „Elke schaute sich in der Communitydatenbank die neusten Beiträge an. Sie schaltete die einen frei, löschte oder kommentierte andere und lächelte. Ja, ihre Enkel hatten nicht schlecht gestaunt, als sie einmal ihre Oma an ihrem nagelneuen Laptop sahen.
    „Was machst du denn da, Oma?“
    „Ich muss nur noch die aktuellen Beiträge in der Schuhcommunity durchschauen.“
    „Oma, bist du etwa Communitymanager?“
    Seitdem war ihr Ansehen bei den Enkeln um ein Vielfaches gestiegen.“

    Im GISAD Grundsatzprogramm wird das Rezept für die Medizin erläutert, die den Virus erfolgreich mit zusätzlichen positiven Nebenwirkungen bekämpfen kann:

  • Beseitigung von Fake News
  • Reduzierung der Nichtwählergruppe
  • Bessere Wahlprognosen
  • Einbindung von aus der Gesellschaft ausgeschlossenen Gruppen in die Demokratie
  • Einbindung in die Gesellschaft von benachteiligten Bevölkerungsgruppen
  • Bedingungsgebundenes Grundeinkommen
  • Sicherheit für den Staat und Freiheitsrechte für den Bürger
  • Rechtskonformes Big Data für die Wirtschaft
  • Kennzahlen zur Planung in Wirtschaft und Politik
  • Das GISAD-Grundsatzprogramm können Sie kostenlos unter http://dl.gisad.eu/wg.pdf herunterladen.

    Zugegeben, es ist für Sie ein komplexes Thema, weil alles mit allem zusammenhängt. Aber genau wie ein Arzt, ist auch die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nur vor Fehldiagnosen gefeit, wenn sie das Gesamtbild der Krankheit und dagegen geeigneten Heilungsmethoden sieht. So müssen psychologische, gesellschaftliche, juristische, politische, betriebswirtschaftliche und technische Bestandteile in einer solchen Medizin enthalten sein. Sie werden nicht alles direkt nachvollziehen können. Für mich ist das alles unter dem Blickwinkel der Anonymisierung und Dezentralisierung ganz einfach. Das ist der rote Faden, mit dem ich die Komplexität auseinanderziehen kann. Wenn Sie tiefer einsteigen wollen, bietet sich hierfür der Bauplan für die digitale Gesellschaft an.

    Beunruhigend finde ich in diesem Zusammenhang, wenn Medien sich der Denkabschaltung in Form einer Selbstzensur anschließen. Sie trauen ihren Lesern dann nicht zu, sich mit komplexen Beiträgen zu beschäftigen, welche die geforderte ganzheitliche Sichtweise auf die Gesellschaft bieten. Möglicherweise verspielen sie damit die letzte Überlebenschance für den schon todkranken Patienten Demokratie und werden selbst zum Teil der Schweigespirale.

    Olaf Berberich