Kein Leben ohne Gooday – Silicon Valley – Februar 2009, Kapitel 29-Teil II

Frankowitz saß in einer Projektsitzung, um die aktuellen Zwischenstände abzurufen.
Inzwischen hatte er sich an seinen neuen Chef John McCallum gewöhnt. Er war berechenbar. Man kam mit ihm aus, wenn man den Blick fest auf den shareholder value gerichtet hatte.
Skrupel gegenüber der Konkurrenz hatte John keine.
„Schließlich sind Aktiengesellschaften das Fundament der Demokratie. Wenn sich jemand von Gooday verdrängt sieht, kann er ja Aktien an Gooday kaufen. Jeder hat die freie Wahl, ob er auf der Verlierer- oder Gewinnerseite mitspielen will.“
Frankowitz war einer der Alten bei Gooday. Seine Sichtweise auf die Dinge war etwas komplexer.

Heute sollte die neue Strategie – Ergebnis einer 18 Monate dauernden Forschung – endgültig das Betastadium verlassen, um in allen Ländern umgesetzt zu werden.
Ehrlich gesagt verstand Frankowitz nicht, weshalb das Kartellamt bisher in keinem Land eingeschritten war.
Schließlich war abzusehen, dass bis auf die Länder, in denen das FINDERS-Konsortium Fuß fassen konnte, niemand außer Gooday mehr richtig Geld verdienen würde.

Angriffsziel der neuen Strategie waren Ebay, die immerhin inzwischen mehrheitlich den Handel weltweit dominierten, und der Zulieferbereich (auch B2B genannt), welcher sich noch weitgehend auf regionalen Spezialportalen abspielte.

„Also gehen wir noch einmal den Workflow der Tools durch, ob hier noch etwas zu optimieren ist.“
Eine junge blondierte Indonesierin, der die Intelligenz aus den Augen blitzte, übernahm:
„Bisher haben wir unsere Prioritäten nach dem häufigsten Aufruf von Keywords gesetzt. Bei den ersten 20 Branchen, welche wir global übernommen haben, war dies sinnvoll.
Um die restliche Wertschöpfung zu erhalten, benötigen wir mehr Informationen. Wir müssen genau wissen, wo die höchsten Margen liegen. Nur so haben wir die Garantie, dass wir zu jeder Zeit für unsere Aktionäre und Kreditgeber die höchsten Renditen und Zinsen erwirtschaften.“
„Jamel mischte sich ein. Bitte keine alten Weisheiten, Lissi, wir wollen doch heute die aktuellen To Do´s besprechen.“
„Also gut. Natürlich kennen inzwischen alle das IP-Verfolgungsprogramm, aber ich wollte halt noch mal in das Thema einführen.“
Lissi fuhr fort: „Also der Status der Entwicklungen:
Die Bilanzsuchmaschine hat ihre Testphase erfolgreich hinter sich gebracht. Nachdem die meisten Unternehmen inzwischen der Bilanzveröffentlichungspflicht unterliegen, haben wir erst einmal die 1000 ersten Firmen ausgesucht nach internem Gooday Pagerank analysiert.“
Frankowitz: „Wie genau ist inzwischen unser interner Pagerank?“
Lissi: „Danke für den Hinweis, während der öffentliche Pagerank weiterhin von 1 – 10 angezeigt wird, haben wir völlig unabhängig davon einen internen Klick-Pagerank von 1 – 10.000 geschaffen.
Es wird Wert darauf gelegt, dass Gooday-Mitarbeiter mit Kundenkontakt die internen Auswertungen nicht erhalten.
Der extern angezeigte Pagerank wird subjektiv von den Mitarbeitern in der Adwords-Abteilung angepasst.
Aus den Bilanzen übernehmen wir Personaleinsatz, Umsatz und Gewinn mit der neuen nur für interne Zwecke vorgesehenen Bilanzsuchmaschine in einen Bilanzindex. Hieraus erstellen wir ein Margenranking.“
John McCallum war vor einigen Minuten leise eingetreten und hatte sich von Lissi unbemerkt in die hintere Reihe gesetzt.
Nun fasste er nach: „Dann haben wir jetzt also einen Automaten, welcher uns eine Prioritätenliste vorschlägt, welches Unternehmen wir kaufen sollen? Was ist denn, wenn jemand ein stark innovatives Produkt auf den Markt bringt und wegen der Konzentration auf die Entwicklung weder hohe Umsätze, noch Gewinne gemacht hat?“
Lissi zuckte fast unmerklich zusammen. Dies war nicht die erste Präsentation eigener Ergebnisse. John schien immer zu wissen, wann etwas Wichtiges zu besprechen war und tauchte genau so unerwartet auf, wie er meist ohne ein Wort auch wieder verschwand.
„Richtig John, hierfür fließt der Innovationsrank mit ein.
Mit Hilfe der Patentsuchmaschine wird analysiert, welches der betreffenden Unternehmen Patente angemeldet hat.
Wenn Sie erlauben, würde ich jedoch erst einmal die verschiedenen Indexe noch einmal aufführen, damit wir überprüfen können, ob wir wirklich alles bedacht haben.“
Als John nickte, fuhr sie fort: „Also gehen wir die einzelnen Indices einmal am Beispiel des Innovationsindex durch. Dieser Index ist insofern gut als Beispiel zu benutzen, weil hier alle Ergebnisse der anderen Indices mit einfließen.
Als Basis erstellen wir den Grundindex. Dieser analysiert mit verschiedenen Parametern, ob eine IP-Adresse einer Privatperson, einem Angestellen, einem Forschungsinstitut oder einer Universität, einem Handelsunternehmen, einem Dienstleister oder einem Hersteller zugeordnet ist.
Für die den Privatpersonen zugeordneten IP-Adressen erstellen wir einen Personenindex.“
John unterbrach: „Wurde von unserer Rechtsabteilung ein Verstoß gegen den Datenschutz geprüft?“
Lissi freute sich sichtlich über die Frage: „Ja, es werden schließlich keine personenbezogenen Daten gespeichert. Der Kunde hat sich selbst entschieden, über eine feste IP-Adresse ins Internet zu gehen. Die Rechtsabteilung hat mit dem Marketing telefoniert. Wir hätten da einen Vorschlag!“
„Na, das klingt ja nach einer kleinen Palastrevolution“, sagte John lächelnd und fügte seinen Standardsatz hinzu: „Wenn es dem shareholder value hilft!“
„Ja ich denke schon, wir sollten öffentlich in die Offensive gehen und in einer Selbstverpflichtung erklären, dass wir die Speicherung der Nutzeranfragen von 18 Monaten auf die geforderten 6 Monate verkürzen.
Schließlich brauchen wir die Daten nur wenige Sekunden, um sie für unseren Index aufzuarbeiten. Alle Altdaten sind inzwischen indiziert.“
John nickte zustimmend: „ Gute Idee, die kritischen Stimmen haben in letzter Zeit mehr als uns lieb ist zugenommen. Wir brauchen ein paar vertrauensbildende Maßnahmen. Weiter.“
„O.k., wo waren wir stehen geblieben. Ach ja, alle Dokumente erhalten einen Contentindex. Hier wird z.B. berücksichtigt, welche Qualifikation eine Person hat, welche diese Dokumente liest (Akademiker oder Arbeiter) und in welchem Kontext die Dokumente zu margenstarken Produkten stehen.
Die einzelnen Indizies fließen in die einzelnen Rankings ein.
Auf Basis von Personenrankings, Contentrankings und Margenrankings und können wir automatisch das Geld unserer Anleger immer in den margenstärksten und zukunftsträchtigsten Unternehmen investieren“.
Für John war es Zeit, die Besprechung zu verlassen.
Er war zufrieden mit dem, was er gehört hatte.
Details interessierten ihn nicht.

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