Die Datenschützerin – Bonn – Februar 2007, 14. Teil, Kapitel II

Meike  Assbach  hatte  eine  makellose  Verwaltungskarriere  hinter  sich  gebracht.   Als  Volkswirtin  hatte  sie  promoviert  und  zudem  einen  Abschluss  in  Informatik.   Anschließend  hatte  sie  ein  Rechenzentrum  geleitet.   Bei  Daten  konnte  ihr  nicht  so  leicht  jemand  etwas  vormachen.   Nachdem  sie  die  einzige  weibliche  Landesbeauftragte  für  Datenschutz  gewesen  war,  war  es  sicherlich  hilfreich,  dass  die  Bunderkanzlerin  Wert  darauf  legte,  Schlüsselpositionen  mit  qualifizierten  Frauen  zu  besetzen. Assbach  hatte  während  ihrer  bisher  zweijährigen  Amtszeit  als  Bundesbeauftragte  für Datenschutz  schon  viel  durchgesetzt. Alle  neuen  Video–  und  Audioaufzeichnungsgeräte  wurden  mit  einem  Leser  für  den  Schlüsselchip  der  Achtcard  versehen.   Aufzeichnungen  waren  nur  möglich,  nachdem  eine  Achtcard  eingelegt  war  und  so  bei  richterlicher  Anordnung  aufgrund  eines  konkreten  Tatverdachts  eindeutig  identifiziert  werden  konnte,  wer  welche  Aufzeichnung  wann  gemacht  hatte.  

Dies  verteuerte  der  Geräte  kaum,  da  inzwischen  die  meisten  neuen  Geräte  gleichzeitig  als  Handy  funktionierten.   Durch  die  hohen  Stückzahlen  war  der  Herstellungspreis  für  den  Achtcard – Reader  auf  unter  2,–  Euro  gefallen.   Unsichtbar  wurde  in  jedes  Audio–  und  Videofile  der  Tagesstempel  mit  dem  Schlüssel  des  Aufnehmenden  gelegt.   Sendefähige  Geräte  sendeten  gleichzeitig  den  Tagesstempel  an  ein  spezielles  Medientrust – Rechenzentrum.   Handys  sendeten  zusätzlich  entweder  ihre  Sendezone,  oder wenn  sie  GMS – fähig  waren,  ihre  Position.

Bei  Verdacht  konnte  jeder  Bürger  verlangen,  dass  ihm  nachgewiesen  wurde,  dass  keine  Aufzeichnung  stattgefunden  hatte.   Hierzu  rief  das  Datenschutzamt  vom  Medientrust – Rechenzentrum  alle  am  entsprechenden  Ort  zur  entsprechenden  Zeit  vorgenommenen  Aufzeichnungseinträge  ab.   Bestätigte  sich  ein  Verdacht,  war  die  Auskunft  kostenlos,  sonst  wurde  der  Aufwand  dem Antragsteller  berechnet.

Die  Inhalte  der Aufzeichnungen  konnte  man  natürlich  einem  solchen  Bericht  nicht  entnehmen.  

In  Ihrer  Doktorarbeit  hatte  Assbach  die  speziellen  Suchalghorytmen  entwickelt,  welche  der  BND  noch  heute  einsetzt,  um  im Internet  Video–  und  Audiodateien  ohne  Signatur  oder mit  falscher  Signatur  aufzuspüren.

Hierfür  wurden  spezielle  Filterserver  an  den  Knotenpunkten  der Hochgeschwindigkeitsleitungen  zwischengeschaltet.   Wurde  also  z. B.   von  einer  Al Kaida  Homepage  ein  nicht  mit  Signatur  versehenes  Video  abgerufen,  so  blieb  dies  im  Filter  hängen.   Nur  mit  einer  speziellen  richterlichen  Genehmigung  durften  die IP – Adressen  der  Empfänger  gespeichert  werden.   Natürlich  würde niemand  so  dumm  sein,  beim  Besuch  einer  solchen  Seite  seine  Achtcard  im  Leser  zu  lassen  und  so  eine  Signatur  als  personalisierte  Spur  zu  hinterlassen.   Auf  vielen  Büroservern  und  Privatrechnern  war  ein  Einstieg  ins  Internet  nur  noch  über  die www. finders. de  des  FINDERS – Konsortiums  möglich,  solange  man nicht  die Standardoptionen  des  Browsers  veränderte.  

Da  durch  die  finder – Technologie  User – Abfragen  verstanden  und  zu  entsprechenden  Kategorien  gelenkt  wurden,  gab  es bei  „Nazi  z. B.   unter  der  Kategorie  „Ad – Hocmeldungen“  die  Möglichkeit,  aktuelle  Meldungen  aus  den Tageszeitungen  abzurufen  oder unter  „Geschichte“,  die  Vergangenheit  in  Wikipedia  nachzulesen  oder unter  der  Kategorie  „Anwälte“  einen  Anwalt  zu  finden.   Das  Aufrufen  von  Naziseiten  im  Internet  war  nicht  mehr  so  einfach  möglich.   Eine  Änderung  der  Einstellungen  war  zum  Jugendschutz  nur  mit  der Schlüsselseite  der  Achtcard  möglich. Diese  nahm  Verbindung  zum  Passrechenzentrum  auf.   Im  Passrechenzentrum  wurde  das  aktuelle  Datum  mit  dem Geburtsdatum  der  Cardbesitzers  verglichen  und  an  den  Browser  übermittelt,  ob  die  Person  18  Jahre  alt  war.   Nur  nach  Autorisierung  durch  das  Rechenzentrum  war  eine  Änderung  möglich.   Dieses  komplizierte  Verfahren  funktionierte,  ohne  dass  hier  personenbezogene  Daten  übermittelt  werden  mussten.        

Meike  Assbach  blätterte  in  einer  langen  Liste  von Namen  aus  dem Überprüfungsbereich  der  Superusercard – Inhaber.   Über  200  Besitzer  einer  Superusercard  produzierten  eine  Menge  Papier  durch  die  von  Richtern  genehmigten  Überwachungen.   Üblicherweise  wurde  die  Achtcardnummer  des  jeweiligen  Richters  miterfasst.   Meike  Assbach  hatte  sich  für  diese  Kontrolllisten  direkt  mit  Christian  Wolff  auseinandergesetzt  und  darauf  bestanden,  dass  er  noch  nicht  einmal  seine  Vorgesetzten  von  dieser  Überprüfungsmöglichkeit  informierte.   Nie  hatte  sie  Kaminski  überprüft,  schließlich  ging  sie  davon  aus,  dass  er  immer  wieder  den  ein  oder anderen  Test  durchführen  musste.

Doch  heute  fiel  ihr  Blick  zufällig  auf  ihren  Namen.   Ungeheuerlich,  wer  hatte  es  gewagt,  ihre  R – Faxe  und  ihren  Browserverlauf  aufzuzeichnen.   Ihr  Blick  fiel  auf  den  Namen:  „Willi  Kaminski“.   Sie  wollte  es nicht  glauben.   Hektisch  ging  sie  an  den  Computer  und  musste  sich  mehrfach  neu  einloggen,  weil  sie  viel  zu  gestresst  war,  um  die  Erfassung  ihrer  biometrischen  Daten  abzuwarten.    

Sie  selektierte  die  Daten  nach  Willi  Kaminski.   „4335  Datensätze“  wurden  angezeigt.  

Nun  selektierte  sie  erneut  Superuser  „Willi  Kaminski“,  genehmigt  „ist  leer“. Sie  erhielt  erneut  4335  Datensätze.  

Anschließend  selektierte  sie  „Willi  Kaminski“  und  bei  Objekt  „Meike  Assbach“.  Eine  Liste  mit  56  Einträgen  erschien.   Assbach  druckte  die  Liste  fassungslos  aus.   Sie  verglich  die Termine  im Kalender  ihres  Handys  mit  denen  auf  der  Liste  und  stellte  fest,  jeweils  einen  Tag  nach  dem  Datum  in  der Liste  hatte  sie  Kaminski  in  einer  Sitzung  getroffen.   Assbach  zögerte  nicht  lange,  sie rief  ihre  Sekretärin  zu  sich.   „Alles  auf  stopp.   Ich  möchte  alle Abteilungsleiter  in  15  Minuten  bei  mir  sehen.   Und  bereiten  sie  alles  für  einen  Sonderdatenschutzbericht  vor. “  So  aufgeregt  war  sie  noch  nie  gewesen.    

Dann  griff  sie zum  Telefon.   „Ja,  es ist  unbedingt  erforderlich,  dass  ich  den  Bundespräsidenten  direkt  spreche. “ 

Nicht  einmal  zwei  Minuten  später:  „Köhler“.  

„Guten  Tag  Herr  Bundespräsident,  hier  Meike  Assbach.   Es  gibt  einen  ungeheuerlichen  Vorfall  zur  Datenschutzverletzung.   Er  betrifft,  äh,  er  betrifft  Willi  Kaminski. “  

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