Geldanlagen – Eldenburg bei Waren – 5. Januar 2009, Kapitel 28-Teil II

Noch immer lebte Talik allein. Er fand sich noch erstaunlich gut zurecht, obwohl das Sehen immer schlechter wurde. Er machte sogar noch ausgiebige Spaziergänge. Den Garten schaffte er nicht mehr. Eine alte Freundin aus der Nachbarschaft, die eine kleinere Rente hatte als er, half nun im Garten und im Haus gegen ein kleines Entgeld. Er war froh, dass zumindest noch ein wenig Abwechslung in seinem Leben war.
Diesen Sommer war er so alleine gewesen, dass er keine Handtücher mehr auf die Liegen des Stegs legte. Wenn Touristen an dem augenscheinlich verlassenen Bootssteg anlegten, kam er heraus und verwickelte die Besucher in ausführliche Gespräche.
Keiner der Eindringlinge konnte sich guten Gewissens einer längeren Unterhaltung entziehen.
Doch diese Woche war alles anders. Diese Woche war Isabella zu Besuch.
Es klingelte und Isabella kam vom Einkaufen zurück. Das Aufstehen wurde für Talik immer schwerer. Aber wenn es einem über achtzig noch so gut ging, durfte man sich nicht beklagen.
Isabella hatte sich vorgenommen, Talik in den zwei Wochen, wo sie da war zu mästen.
„Im Alter braucht man nicht mehr soviel.“
„Ach Paps, Du bist doch nur noch Haut und Knochen. Was hast Du früher geschimpft, wenn ich nichts gegessen habe.“
Ja so war das. Alles was man den Kindern in deren Jugend an Vorhaltungen gemacht hatte, bekam man mit Zinsen im Alter zurück. Darauf war Verlass.
Gott sei Dank hatte er Isabella immer viele Freiheiten gelassen.

Isabella packte die schweren Taschen aus. Irgendwie wirkte sie bedrückt. Das merkte er, obwohl er immer mehr aufpassen musste, dass schlechtes Sehen und inzwischen auch schlechteres Hören nicht zu Fehleinschätzungen führten.
„Isabella, geht es Dir gut.“
Isabella antwortete erst nach einer langen Pause. Sie rang wohl innerlich mit sich, ob sie es ihm sagen sollte: „Wir, also in erster Linie Levis, haben ziemliche Sorgen.“
„Die Finanzkrise?“
„Levis kommt sich nur noch wie ein Mülleimer vor, den alle Kunden benutzen um ihre Wut auszuschütten, weil er ihnen keine Kredite mehr geben kann.“
„Ist den sein Job noch sicher?“
„Nicht wirklich, lange geht das nicht mehr.“
„Aber Deiner doch hoffentlich?“
„Ich werde aus Deutschland bezahlt. FINDERS geht es so gut, da müsste ich schon silberne Löffel klauen, um entlassen zu werden. Mit meinem Gehalt kommen wir durch.“
Isabella ging schnell in die Küche, damit ihr Vater die Tränen nicht sah.
Sie aßen schweigend. Zweimal lobte Talik das Essen. Im Alter gab man sich selbst nicht mehr viel Mühe mit seiner Ernährung.
Nach dem Essen setzten sie sich wie früher ans Fenster und beobachteten die winterliche Müritz.
„Paps, auch wenn ihr hier in Deutschland nicht unsere Probleme habt, die internationalen Finanzmärkte sind so vernetzt, dass auch Geld in Deutschland betroffen sein kann. Hast Du Geld angelegt?“
„Kind, braucht Ihr Geld?“
„Nein, wir haben keine Schulden im Gegensatz zu den meisten Amerikanern. Aber durch Levis habe ich ein wenig über Geldanlagen gelernt. Ich möchte nicht, dass man Dich über den Tisch zieht.“
Talik war ein wenig beleidigt: „Ich kann noch sehr gut rechnen. Lass mir doch noch ein paar Geheimnisse. Mein Geld ist sicher auf Festgeldkonten angelegt.“
„Das beruhigt mich, weißt Du, man kann wirklich viel falsch machen.“

In der Nacht schlief Talik schlecht. Wenn man in seinem Alter auf der Bank zu viele Fragen stellte, hielten die einen gleich für senil. Er hatte sich, wie immer im Leben, einen einfachen Weg zurechtgelegt, um komplizierte Zusammenhänge zu überprüfen. Zuhause hatte er immer seine Zinsen überprüft. Die waren immer niedrig gewesen, teilweise hatte er auch gar keine bekommen. Auch die im Fernsehen hatten gesagt: „Hohe Zinsen, hohes Risiko; niedrige Zinsen, niedriges Risiko.“
Beim Frühstück zeigte er Isabella eine seiner kleineren Geldanlagen.
Isabella warf nur einen Blick darauf und sagte: „Paps, das sind amerikanische Rentenfonds.“ Talik ließ sich nicht aus der Ruhe bringen: „Die Frau Münztaler von der Warener Genossenschaftskasse berät mich jetzt seit fast 20 Jahren. Es war nie ein Risiko dabei.“
Aber er kannte die Hartnäckigkeit seiner Tochter und gab ihr schließlich die gesamten Unterlagen.
Über eine Stunde beschäftigte sich Isabella mit den Unterlagen.
„Paps, wenn ich das richtig sehe, hast Du in den letzten Jahren Verlust gemacht. Du hast kein Festgeld. Du hast nur Inhaberschuldverschreibungen. Das ist so kompliziert, da blicke ich nicht durch und vor allem hast Du amerikanische Rentenfonds. Die sind absolut im Keller.“
Eigentlich hatte Talik seiner Menschenkenntnis immer trauen können. Die Frau Münztaler hatte immer einen so seriösen Eindruck auf ihn gemacht.
„4,5 % Zinsen müssten es sein“, sagte er schließlich.
Isabella holte sich das Fondsprospekt, welches ihr Vater nie gesehen hatte, aus dem Internet.
Tatsächlich, die Fondsprognose ging von einer durchschnittlichen Rendite von 4,5 % aus. Aber immer wieder wurde im Prospekt auf die Risiken hingewiesen. In Juristendeutsch verklausuliert wurde auf die Möglichkeit eines Totalausfalls des eingesetzten Kapitals hingewiesen. Wörtlich hieß es: „Der Fond ist geeignet für Geldanleger mit einer mittlerer Wertpapiererfahrung und einer mittleren Risikobereitschaft.“
„Paps, weißt Du was ein Wertpapier ist?“
„Na, ich denke Du meinst etwas anderes. In der Druckerei haben wir immer Wertpapier zu hochwertigen Papieren gesagt, welche auch zum Geld drucken verwendet werden.“
Isabella lachte gequält: „Nein, vom Geld drucken sind wir leider weit entfernt. Immer wenn Du Geld benötigt hast, hat die Genossenschaftskasse Schuldverschreibungen gekündigt. Du hast nur 93 % des Nominalwerts eingezahlt, 100 % des Nominalwerts bekommst Du nur bei der ganzen Laufzeit. Paps ich versteh das auch nicht ganz, aber 2,8 % Zinsen für eine solche Anlage die keiner kapiert ist einfach lächerlich. Da Du bei vorzeitiger Kündigung nur 93% vom Kurswert bekommen hast, waren die Zinsen wieder weg. Der Rentenfond ist auf jeden Fall jetzt weniger wert, als das, was Du eingezahlt hast.“
„Die können mir doch nicht einfach die Zinsen senken. Das würde Frau Münztaler nie tun.“
„Was ist den das?“ fragte Isabella mit Blick auf einen Zettel, auf dem in überdimensionalen Buchstaben handschriftlich geschrieben stand:
Das können Sie wegschmeißen!
„Frau Münztaler war so freundlich, mir meine Unterlagen zu sortieren und hat mir rausgesucht, was ich nicht mehr brauche“, sagte Talik, jetzt doch ein wenig kleinlaut.
Isabella gab auf. Sie machte telefonisch Druck und redete von „grob fahrlässiger Falschberatung.“

Am nächsten Morgen saßen Isabella und ihr Vater im Büro von Frau Münztaler. Sie begrüßte Herrn Talik überschwänglich und erkundigte sich nach seinem Garten.
Ihr Vater genoss es sichtlich, dass jemand sein Hobby zu schätzen wusste.
Frau Münztaler tat alles, um Isabella zu demonstrieren, wie gut Talik und sie sich verstanden. Sie musste in zahlreichen Verkaufsschulungen trainiert worden sein, um die komplexe Materie wie Inhaberschuldverschreibungen so logisch und sicher zu schildern.
„Aber Isabella hatte am Vorabend noch mit Levis telefoniert. Der sagte zwar, deutsche Finanzprodukte würden sich völlig von amerikanischen unterscheiden, gab ihr jedoch den Tipp, sich im Gespräch nur auf die wichtigen Eckdaten zu konzentrieren.“
So fragte Isabella zu den Inhaberschuldverschreibungen nur: „Ist das denn eine sichere Anlage?“
„Alle Genossenschaftskassen haften mit ihrem Vermögen für einander.“
Dann sprach sie noch von einem Sicherungsfond.
Wofür braucht es einen Sicherungsfond, wenn alle füreinander haften, blitzte im Hinterkopf von Isabella ein Gedanke auf.
Aber sie wechselte das Thema.
Hier würde Frau Münztaler sie tot argumentieren.
Frau Münztaler war aalglatt und hatte die Tatsachen auf ihrer Seite. Schließlich war ja noch nie was Schlimmes passiert und wenn, dann hatte man das hinter verschlossenen Türen unter sich geregelt.
Isabella setze bei den Rentenfonds an. „Mein Vater ging davon aus, bei Ihnen nur Festgeld angelegt zu haben. Sie haben ihm Anlagen mit einem möglichen Totalausfall verkauft.“
„Auch die Rentenfonds sind sicher. Es handelt sich hierbei um die höchstsicheren …“
„Frau Münztaler, im Prospekt ist von einem möglichen Totalausfall die Rede“, unterbrach Isabella jetzt sichtlich entnervt und fing sich einen tadelnden Blick von ihrem Vater ein, dem es sichtlich unangenehm war, wie unhöflich sie zu Frau Münztaler war.
„Ach, das Prospekt kenne ich gar nicht, können Sie mir das mal zeigen“, sagte Frau Münztaler wohl wissend, dass sie Herrn Talik nie ein solches Prospekt gegeben hatte.
Isabella zog den Prospekt aus der Tasche. Sie hatte sich den Prospekt von der Internetseite des Fonds ausgedruckt. Es machte sie noch wütender, dass man hier den Gesprächspartner wohl genau soviel über den Tisch zog, wie es möglich war.
„Da steht nicht Totalausfall“, machte Frau Münztaler einen weiteren Versuch.
„Juristisch heißt es genau das, wenn hier steht, dass der Kurs steigen und fallen kann“, Isabella schäumte.
Frau Münztaler begann nun unbeirrt, Isabellas Vater die Vorzüge des Fonds zu erklären. Sie versäumte nicht, immer wieder zu erwähnen, dass der Fond absolut sicher sei.
Jetzt reichte es Isabella: „Geben Sie mir das schriftlich?“ Sachlich zu diskutieren brachte gar nichts. Schließlich war der Kurswert schon weit unter den Einstiegspreis gefallen. Sie wusste genau, was als nächstes kommen würde. „Ich würde bei diesem niedrigen Kurs nicht verkaufen. Um die 4,5 % Rendite zu erreichen, sollten Sie mit dem Verkauf noch warten.“
Isabella hatte eine Idee: „Vater, kannst Du bitte mal wiederholen, was Frau Münztaler gerade gesagt hat?“
„Sie wollen Ihren Vater wohl hier vorführen“, versuchte Frau Münztaler die Antwort zu verhindern.
„Mein Vater ist für sein Alter geistig topfit“, raunzte Isabella zurück.
Talik sah überhaupt keinen Grund, warum er das nicht wiederholen sollte. Er war doch nicht blöd: „Frau Münztaler hat gesagt, dass ich meine 4,5 % Zinsen doch noch bekomme.“
Frau Münztaler sackte in sich zusammen. Natürlich gab es interne Rundschreiben, dass Produkte auf die Vorkenntnisse des Bankkunden abzustimmen sind. Aber der Druck von der Geschäftsleitung für die Bank hoch profitable Produkte heraus zu drücken wurde immer stärker. Die Anweisungen bekam man natürlich mündlich. Vor ihrem inneren Auge stellte sie sich diese Situation in Gegenwart eines Richters vor.
Isabella setzte nach: „Frau Münztaler, ist mein Vater ein Anleger mit mittlerer Wertpapiererfahrung?“
„Was mittel ist, ist Definitionssache“, gab Frau Münztaler lahm zurück.
„Das ist keine Definitionssache. Wir sprechen hier von null Erfahrung. Die Null ist eindeutig zu definieren.“
Nun kam Isabella zum Punkt: „Ich erwarte, dass die Anlageverträge rückabgewickelt werden und mein Vater so gestellt wird, als habe er ein Festgeldkonto gehabt!“
Frau Münztaler zog ihren letzten Trumpf: „Dann bleibt mir nur, das Ganze an die Rechtsabteilung zu geben. Überlegen Sie es sich noch mal.“

Bei Talik und Isabella war die Urlaubsstimmung verflogen. Isabella wollte ihren Vater überreden zu klagen. Schließlich hatte er ja eine Rechtsschutzversicherung, welche er nie in Anspruch genommen hatte.
Zuletzt jedoch setzte sich Talik durch. Es war wirklich nicht möglich, dass er alleine um sein Recht kämpfte. Isabella musste schließlich wieder nach New York zurück.
Talik hatte jegliches Vertrauen zu seiner Bank verloren. Sein ihm verbliebenes Geld investierte er über FINDERS mit mittlerer Rendite und mittlerem Risiko. So war er sich wenigstens sicher, dass er mit dem Geld einem deutsches Print on Demand Unternehmen, über das er sich mit seinem Achtcard-Faxgerät informiert hatte, bei Aufbau half. Schließlich musste sich bei Rollenoffset mit beidseitigem Druck niemand mehr den Rücken krumm arbeiten. Hier kannte er sich aus.

Urlaub in der Krise – Friedrichshafen – Sylvester 2009, Kapitel 28-Teil II

Inzwischen war es üblich, dass Brigitte und ich die Festtage bei Maya in Friedrichshafen verbrachten. Maya hatte eine schöne Wohnung mit Blick auf den Bodensee. Max und wir hatten uns wie immer in einem kleinen Hotel in der Nähe einquartiert. Auf Grund der amerikanischen Wirtschaftskrise hatten wir beschlossen, Silvester nicht auszugehen, sondern bei Maya zu Hause zu bleiben, wie immer über Politik und Wirtschaft zu diskutieren und Doppelkopf zu spielen.
Mayas Wohnung hatte eine unübertroffene Aussicht auf das Feuerwerk.

Wir waren zum Mittagessen verabredet. Brigitte brauchte mal wieder im Bad etwas länger. Sie blühte sichtlich auf. Es tat ihr gut, nicht auf unserem Schiff zu sein.
Ich ging schon mal runter zum Auto, um die Scheiben frei zu kratzen. Es war kalt geworden. Ärgerlich stellte ich fest: jemand hatte zwei blaue Müllsäcke einfach auf die Kühlerhaube meines Autos gestellt.
Ich hatte Glück, denn es bog gerade ein Müllwagen um die Ecke. So brachte ich die Säcke zu dem Mitarbeiter, der hinten am Müllwagen die große Müllpresse füllte.
„Die hat mir jemand einfach auf mein Auto gestellt.“
„Ja, ja“, sagte der. Man merkte ihm an, dass er mir kein Wort glaubte. Er nahm die Müllsäcke und schmiss sie in den Wagen.

Warum war das nur so verdammt schwer geworden mit der Wahrheit in Deutschland? Warum glaubte jemand selbst bei einer solchen Kleinigkeit, es sei für mich einfacher zu lügen, als die Wahrheit zu sagen? War das so?
Warum hatte ich nichts erwidert? Warum hatte ich nicht solange argumentiert, bis er mir glaubte?
Während der Fahrt zu Maya sagte ich kein Wort. Brigitte sah mich besorgt an. Sagte aber nichts.

Nach dem Mittagessen spielten wir Karten. Dann schaltete Max N24 an. Brigitte und Maya waren wenig begeistert.
Es gab eine Sonderdebatte des deutschen Bundestags. Gerade forderte ein Abgeordneter wieder schärfere Gesetze. Ein anderer widersprach: „Die gesetzlichen Grundlagen müssen nur endlich umfassend angewendet werden. Wir brauchen keine neuen Gesetze.“
Max regte sich fürchterlich auf: „Die machen doch jegliches Vertrauen in die Politik kaputt. Noch schlimmer, moralische Manager gehen nicht mehr auf verantwortungsvolle Posten. Wenn es keine Regeln gibt, wenn die Justiz je nach gefühlter Lage härter oder laxer durchgreift, dann machen den Job nur noch die Korrupten. Die kommen mit ihrer Devise ‚Alles ist erlaubt, solange man nicht erwischt wird’ dann bestens durch.“
Maya antwortete „Du hast ja recht. Aber es ist wirklich schwer, noch richtig zu reagieren. Obwohl die deutsche Wirtschaft weitgehend von der USA abgekoppelt ist, arbeiten die Banken nun mal global. Ich weiß, dass die deutsche Regierung verzweifelt nach einer Lösung sucht. Die sprechen sogar mit dem FINDERS-Konsortium.
Es geht nicht um die Banken, sondern um das Geld und vor allem das Vertrauen der Sparer.“
Wie immer wusste Maya mehr als wir anderen. Wir hatten uns daran gewöhnt, dass sie uns nicht alles sagen konnte.

Tatsächlich stellte die Bundesregierung kurz nach der Gründung von Gooday ein eigenes gemeinsam mit dem FINDERS-Konsortium erarbeitetes Konzept vor.
Deutschland hatte sich in den letzten Jahren durch das den Mittelstand fördernde Konzept unabhängig von den USA entwickelt. Trotzdem begannen auch in Deutschland die Bürger das Vertrauen in die Banken zu verlieren. Das Geld der Sparer sollte garantiert sicher sein. Die Banken, die sich am US-Markt verspekuliert hatten, wollte man nicht schützen. Eine Marktbereinigung war nötig.
Die Einlagensicherung von 20.000 Euro blieb bestehen. Die deutsche Bundesregierung verpflichtete sich darüber hinaus, allen Personen, jedoch keinen Banken unbegrenzt den Ausfall von Sparbüchern und Festgeldkonten zu ersetzen. Präventiv wurde mit einigen deutschen Banken unter Beteiligung des FINDERS-Konsortiums eine Auffanggesellschaft für insolvente Banken gegründet.
Diese Voraussicht kam gerade rechtzeitig, um das Kapital deutscher Sparer bei 6 Banken mit amerikanischen Muttergesellschaften zu retten, die fast gleichzeitig in die Insolvenz gingen.
Die Einlagensicherung über 20.000 Euro hinaus wurde an die Bedingung geknüpft, dass das Geld zwei Jahre im Rahmen der Auffanggesellschaft angelegt wurde. Die Sicherung galt, um Spekulanten abzuschrecken, nur für Geldeinlagen, welche bereits länger als drei Monate angelegt waren. Diese Gelder wurden Unternehmen zur Verfügung gestellt, welche bereit waren, sich online hinter einer FINDERS-Kategorie einzuordnen und ihr Geschäftsmodell sowie die Bilanzzahlen einfach im Internet zugänglich zu machen. Die einzelnen Finanzinstrumente (z.B. Risikokapital, Immobilienfinanzierung, etc.) wurden separaten Kategorienagenturen zugeschlagen. Hinter den einzelnen Kategorien konnten sich Banken, die in diesem Bereich tätig waren, positionieren. Bei jeder Kreditvergabe wurde ein ständig von den einzelnen Kategorienagenturen weiterentwickeltes Rating berücksichtigt. Da z.B. die Kategorienagentur für Immobilienverkäufe auch für die Internetmarktplätze verantwortlich war, konnte ein halbautomatisches Verfahren entwickelt werden, um die Werthaltigkeit einer Immobilie zu schätzen. Produktanfragen, welche von Herstellern oder Händlern nicht bearbeitet wurden, konnten durch die finder-Technologie erkannt werden. Die entsprechende Kategorienagentur erhielt dann eine Fehlermeldung. Dies und die Rückmeldungen aus den Communitys bildeten für die Kategorienagenturen ein Frühwarnsystem. Die Kategorienagenturen wurden dann aktiv und halfen frühzeitig bei der Problemlösung.

Alle Teile eines Mischfonds mussten für Geldgeber dadurch transparent gemacht werden, dass Einzelbeteiligungen über eine Linkliste erreichbar waren. So konnte kein Geldgeber mehr sagen, man habe ihn unzureichend informiert.
Mischfonds waren nur noch zulässig, wenn 10 % des Fonds in innovative Firmen investiert wurden. Auch deren Geschäftskonzept musste über einen Link für Geldgeber erreichbar sein.

Wer keinen Internetanschluss hatte, konnte sich jederzeit die Liste über sein Achtcard-Fax ausdrucken lassen. Die flächendeckende Verbreitung der Achtcard ermöglichte, dass jeder nahezu alle Geldtransaktionen von zu Hause aus durchführen konnte.

Als weitere Neuerung wurde innerhalb dieses Finanzierungskonzepts eine standardisierte Due Diligence eingeführt, in der die betreffende Kategorienagentur ohne großen Aufwand eine Stellungnahme abgeben konnte. Durch diese vereinfachten Beteiligungsgutachten war es erstmals möglich, dass Fonds auch Kleinstbeteiligungen ab 100.000 Euro an Unternehmen eingehen konnten.

Viele Patente, welche früher im Ausland vermarktet worden wären, wie z.B. seinerzeit das deutsche MPEG- Verfahren in Japan, wurden nun direkt in Deutschland verwertet, da ausreichend Kapital zur Verfügung stand.

Die Finanzkrise ging weitgehend an Deutschland vorbei. Immer mehr Länder –fast alle europäischen – schlossen sich dem Trusted Internet an.
Achtcard-Geräte wurden ein deutscher Exportschlager.

Nanny Day – ibank , Wall Steet – 5. Januar 2009, Kapitel 27-Teil II

Levis saß an seinem Schreibtisch und betrachtete die Schnee bedeckte Wall Street. Er hatte heute morgen beim Juwelier das Schild gesehen. „Bis auf weiteres geschlossen“, stand da. Jetzt fand er es schade, dass er mit der netten Goldschmiedin nie die Telefonnummer ausgetauscht hatte. Er kannte nicht einmal ihren Nachnamen. Wie es ihr jetzt wohl gehen würde?
Warum er selbst noch seinen Schreibtisch hatte, wusste er nicht so genau. In letzter Zeit versuchte er sich unsichtbar zu machen. Erste Entlassungen hatte es bereits gegeben.
Er schaute sich seitlich in seinem Gadget die neusten Nachrichten an und erstarrte:

„Regierungen frieren Geld auf den Banken ein und verwehren Sparern Zugriff auf ihr Geld.
Trotz permanentem Eingreifen der Regierungen haben die Kreditausfälle Weihnachten die besicherte Summe der Rückversicherer von 2.000 Milliarden Dollar überschritten. “

Gleichzeitig öffnete sich die Tür und Gabriella kam weinend herein. Der Chef ist völlig ausgeflippt: „Ich schmeiß alles hin. Ich habe nicht gezockt und trotzdem wir.“ Gabriella war Vorstandassistentin und hatte sich mit Levis angefreundet. Für Levis war Gabriella der heiße Draht zur Chefetage. Auf den ersten Blick erfüllte Gabriella voll das Klischee der sexy Blondine. Doch der Proporz zwischen sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten entsprach ihrer makellosen Optik mit ihren perfekten Körpermaßen.
„Ich habe die Zahlen gesehen. Nicht nur von uns, wir stehen noch gut da. Von allen. Die machen permanent Videokonferenzen mit immer neuen Banken. Man will sich zu einem neuen Konsortium zusammenschließen, um wieder das Vertrauen von den Kunden zu gewinnen. Banken mit insgesamt 500 Milliarden Dollar Kreditumsatz machen wohl schon mit. Mein Chef meint, damit wird das Vertrauen nicht zurückkommen. Wenn die Konten wieder freigegeben werden, werden die Kunden alles abheben. Alles, verstehst Du?“

Levis war eigentlich nicht überrascht. Mit Isabella hatte er verschiedenste Szenarien für ihre eigene Zukunft bereits durchgespielt. Immerhin Isabella hatte einen sicheren Job als Trendscout bei FINDERS. Davon konnten sie beide mit ein wenig Einschränkung leben.
Was Levis nicht für möglich gehalten hatte, am Abend war der „letter of intent“ für das Bankenkonsortium unterschrieben.
Durch die Headline eines Presseartikels bekam das Konsortium dann wenig später seinen Namen. „Nanny Day“ wurde das Konsortium genannt. Der Kunde sollte sich so behütet fühlen, wie bei einer Kinderfrau. Man hatte sich vorgenommen, dass der 5.1.2009 als Wendepunkt der Finanzkrise in die Geschichte eingehen sollte. Durch diesen Namen sollte jeder Amerikaner auch in Zukunft wissen, wem er diese Rettung zu verdanken hatte. Levis erfuhr später von Gabriella, einige Banker hätten sich fest vorgenommen nach der erfolgreichen Sanierung der Volkswirtschaft den „Nanny Day“ als offiziellen Nationalfeiertag eintragen zu lassen.

Unmittelbar nach Gründung des Konsortiums gab die USA die eingefrorenen Konten frei. Am nächsten Tag wurden innerhalb von 3 Stunden 15 % aller Spareinlagen abgehoben, da die Geldanleger nicht vom Erfolg des Konsortiums überzeugt waren. Noch am selben Tag wurden die Gelder wieder eingefroren. Die Börse rutschte auf ein Allzeittief.
Diese verzweifelte Lage nutzte Google, um sich in die Debatte einzumischen. Google stellten dem Senat und den Banken einen Rettungsplan vor.

Bei einem Minimum an Verwaltungskosten bot Google das Konzept einer Onlinebank an. Ohne große Entwicklungskosten übertrug Google sein Adwords Werbesystem auf die Onlinebank und baute ein Zinssteigerungsportal auf. Geldgeber, welche die günstigsten Zinsen boten, bekamen den Zuschlag.
Geldgeber konnte jeder ab 1000 Dollar Anlagekapital werden.
Der Geldgeber gab eines oder mehrere Keywords in das Portal ein. Hierdurch wurde der Bereich abgesteckt, in dem er investieren wollte.
Zusätzlich definierte er auf einer Skala von 1-10 seine Risikobereitschaft.
Er konnte stundengenau festlegen, wie lange er das Geld anlegen wollte.
Unternehmen, welche das gleiche Keyword zur Kreditsuche hinterlegt hatten, wurden dem Geldgeber in einer Liste online angezeigt. Per Klick konnte der Geldgeber die Kreditauszahlung veranlassen.
Die Zinshöhe richtete sich nach dem Risikorank der letzen drei Jahre, welcher von der Suchmaschine vergeben worden war. Start Ups konnten nicht berücksichtigt werden, da sie noch keinen Rank hatten.
Die US-Regierung hatte das Konzept unter der Bedingung bewilligt, dass nur direkte Geldtransfers zwischen Geldgebern und Kreditnehmern über das Portal vermittelt wurden. Federführend hierbei war die Finanzministerin und ehemalige Ebay-Chefin.
Die Kreditnehmer durften keine Banken sein. So wurden nur genau in der Höhe Kredite vergeben, wie auch direkte Spareinlagen vorhanden waren. Der Verwendungszweck der Kredite musste über die Internetpräsenz für alle erkennbar sein.
Das Konsortium ging mit all seinen Banken in die Planinsolvenz. Hierdurch entledigte man sich des überflüssigen Personals und der nicht mehr selbstgenutzten Immobilien auf einen Schlag.
Es sah so aus, als ob das Geld der Anleger verloren wäre. Da bot eine Auffanggesellschaft, bestehend aus den gesunden Teilen des Konsortiums und Google – Gooday Group genannt – an, die insolvente Bankengruppe für einen Dollar mit der Vorgabe aufzukaufen, die nächsten 30 Jahre 20 % die schließlich erzielten Gewinne an die Altgläubiger abzuführen.